Die Hölle hoch oben |
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Dunkler kann die Zukunft nicht werden, glauben Calve (29) und Omega (25). Nicht dunkler als in ihrer Heimat Kamerun oder hier oben, in den Wäldern von Gourougou, nur wenige hundert Meter entfernt von den ersten Lichtern Spaniens. Das wollen sie erreichen, auch wenn sie auf dem Weg dorthin sterben. "Es gibt für uns keinen Weg zurück. Nur nach vorne", stellt Omega klar. |
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Mehrere tausend Menschen hausen laut Schätzungen der marokkanischen Menschenrechtsorganisation AMDH in den Wäldern und an den felsigen Hängen rund um den Berg Gourougou. Viele von ihnen wurden für Tausende Dollar von Menschenschleppern hierher gebracht. Einige haben den Irrweg durch Afrika ohne kriminelle Hilfe zurückgelegt. Im besten Mannesalter haben sie ihre Familien verlassen, in der Hoffnung, in Europa Arbeit zu finden, um sich und ihren Angehörigen ein besseres Leben bieten zu können. Welchen Strapazen sie sich dafür aussetzen, erfährt in der Heimat keiner. Wenn die Familien denn überhaupt jemals wieder von ihnen hören. Zwischen den Atlas-Zedern auf dem Berg finden sie nicht nur Schutz vor den Blicken der marokkanischen Behörden. Sie verschwinden auch aus dem Bewusstsein der Politik und Öffentlichkeit Europas, dem es wohl recht ist, wenn sich seine Nachbarstaaten mit den Flüchtlingen rumschlagen, noch bevor sie in überfüllten Booten die Fahrt über das Mittelmeer wagen oder in Auffanglagern Asylanträge stellen. Nirgendwo an den Grenzen Europas dürften so viele Flüchtlinge auf solch kleinem Raum stranden wie in den Wäldern von Gourougou. Über hunderte Meter erstrecken sich ihre Zelte, unterteilt in Herkunftsregionen. Die meisten stammen aus krisengeschüttelten Staaten in Zentral- oder Westafrika. Auch Somalier hat es hierher verschlagen. Ein Mann will sogar den Weg vom südafrikanischen Lesotho auf sich genommen haben. Viele überleben bereits seit mehreren Jahren hier oben, hoffnungsvoll dem ersten Außenposten des Sehnsuchtsortes entgegen blickend. Die spanische Enklave Melilla nördlichen des marokkanischen Nador zeigt sich ihnen jedoch als hermetisch abgeriegelte Festung, umzäunt von sieben Meter hohem Stacheldraht, umringt von marokkanischen und spanischen Grenzhütern mit Schlagstöcken, Gummigeschossen und Rauchgranaten. 30 Millionen Euro hat die Europäische Union in das Bollwerk investiert. |
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Dennoch schaffen es immer wieder einige in die vermeintliche Freiheit in Melilla: Vor allem in den vergangenen Wochen und Monaten stürmten immer wieder große Gruppen von Flüchtlingen, teils zu Hunderten, die Grenzzäune. Ihre schiere Menge macht es den Grenzschützern schwer, sie aufzuhalten. Anfang Februar ertranken allerdings auch 15 Migranten, als sie versuchten, über das Mittelmeer nach Melilla zu gelangen. |
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Jene, die es über den Zaun schaffen, erhalten von den spanischen Behörden in Melilla zwar Lebensmittel, eine Unterkunft und grundlegende medizinische Versorgung. Doch sie bezahlen dafür mit Ungewissheit: Melilla dürfen sie nur in Richtung Marokko wieder verlassen, was jedoch für keinen in Frage kommt. “Somit bleibt uns nichts anderes übrig als zu warten. Seit Monaten sind wir hier. Wie es aber mit uns weitergeht, können oder wollen uns die Behörden nicht sagen”, schildert Daniel aus Kamerun. Letztlich wird die Existenz in der absoluten Ungewissheit zum kleineren Übel als jene in der “Hölle”. |
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